Yoga + “Perfektion”

Sei wie die Blume auf der Wiese.
— Osho

Im Zusammenhang mit Yoga sehen wir oft diese „perfekten“ Fotos und Videos, topgeformte Körper in graziösen Haltungen auf idyllischem Hintergrund. Geht es bei Yoga um diese Perfektion, seinen Körper zu trainieren und sich darzustellen?

Sidemen, Bali, Indonesien

„Perfektion ist das Gegenteil von dem, was ich vermitteln will“ habe ich mich so oft sagen hören.

Doch so ganz stimmt das nicht. Denn was bedeutet perfekt sein? Wir sind alle perfekt, so wie wir sind!

Wann sind wir am schönsten?
Wenn wir uns so fühlen! Wenn wir frei sind von Erwartungen, von außen und selbst auferlegten. Wenn wir nicht alles, was wir tun, hinterfragen, kritisch prüfen.
Wenn wir einfach wir selbst sind und uns wohl dabei fühlen!

Darum geht es auch bei Yoga für mich. Sich selbst kennen und akzeptieren zu lernen. Mit all seinen Ecken und Kanten, und auch den Schönheiten, die wir alle in uns tragen und auch zeigen können. Wir sind alle unterschiedlich und das macht uns besonders. Deshalb spreche ich trotzdem von Perfektion. Weil es darum geht, die Perfektion in der vermeintlichen Unvollkommenheit zu sehen.

„Find the perfection in imperfection!“ hat mich ein besonderer Mensch auf meiner Reise gelehrt.

Denn auch in mir schlummert eine Perfektionistin. Eine chaotische wohlbemerkt. Eine nicht immer ganz einfache Kombination. Eine laute innere Kritikerin mit einer Erwartungshaltung, die es mir nicht immer leicht gemacht hat. Ständig habe ich Fehler und Gründe bei mir gesucht, wo ich gar nichts damit zu tun hatte. Immer wollte ich es allen recht machen. Und ja, die Stimme ist noch da, doch ich habe gelernt, mich mit ihr zu arrangieren, einen anderen Umgang zu pflegen, sanfter zu mir selbst zu sein. Yoga hat mir dabei geholfen! Die Menschen, die ich auf meiner Reise traf, haben mir geholfen, anders damit umzugehen, meine Grenzen zu akzeptieren und zu wahren, auf mein Wohlbefinden zu achten und meine persönlichen Stärken zu erkennen. Mich so zu mögen, wie ich bin. Und das gelingt mir auch jetzt noch nicht immer. Doch jetzt ist das nicht mehr schlimm.

Auch in der Asana-Praxis musste ich feststellen, dass ich manche Haltungen nicht so ausführen kann, wie ich mir das anfangs wünschte, wie andere, die ich bewundernd beobachtete. Und obwohl ich dazu neige, mich zu zwingen, zu fordern, mir selbst dabei nichts Gutes zu tun, habe gelernt zu verstehen, Akzeptanz entwickelt und Freude an dem, was möglich ist.

„Ich kann nicht zum Yoga kommen, ich kann doch nicht mal im Schneidersitz sitzen!“

„Mich würde Yoga wirklich interessieren, doch ich bin so ungelenk, gar nicht gedehnt, da fühle ich mich in der Gruppe unwohl!“

„Ich kann mit der Ruhe und Stille nicht gut umgehen, das ist nichts für mich!“

Und viele mehr solcher Aussagen sind mir begegnet, seit ich begonnen habe, Yoga zu unterrichten. Doch Yoga ist für alle! Passe nicht deinen Körper an das Yoga an, sondern Yoga an deinen Körper. Finde deinen Stil! Entdecke die Vielfalt von Yoga!

Ich habe mich entfernt von einem Yoga-Stil, in dem es um körperliche Höchstleistung geht.

Meine Knie werden aufgrund der Anatomie meiner Hüftknochen im Schmetterling niemals den Boden berühren, und das ist okay so!

Das bedeutet nicht, dass Yoga immer bequem sein muss, nicht anstrengend sein darf, für Körper und Geist. Es geht für mich darum, herauszufinden, wo mein Wohlfühlbereich liegt, meine Stärken, wo mir vieles mit Leichtigkeit gelingt, und wann ich einen Raum betrete, in dem ich mich entwickeln kann, mich selbst herausfordern und überraschen, um zu wachsen. Und darauf zu achten, wann ich beginne meine Grenzen zu überschreiten, beginne, mich nicht mehr heraus- sondern zu überfordern und mir und meinem Körper am Ende nichts Gutes tue. Trau dich raus aus deiner Comfortzone, trau dich, dich kennenzulernen. Trau dich, dich so zu lieben, wie du bist!

Auch in der Entwicklung meiner Angebote und meiner Website musste ich viel von meinem Perfektionismus ablegen. Die Struktur nicht so darstellbar, wie in meinem Kopf? Bürokratische Hürden, die ein Umdenken und -gestalten erfordern? Das Fotoshooting halb krank mit Fieberblase, in einem nicht ganz idealen Raum als Hintergrund?
Klar! Denn das bin ich, das ist das Leben. Das ist echt!

Das will ich vermitteln!

Das ist wie mit dem Tanzen:  Menschen fühlen sich dabei in der Öffentlichkeit oft unwohl, sind gehemmt. Wir fühlen uns beobachtet von anderen, beobachten auch selbst und denken dabei, wie frei und schön sich die eine oder andere Person bewegt, die sich jedoch vermutlich gerade dasselbe denkt von jemand anderem. Anstatt das wir tun, was wir alle wollen, und zwar: Frei sein und einfach tanzen, so wie wir uns fühlen (das, was wir doch eigentlich so schön finden), treffen wir uns, um uns gemeinsam unwohl zu fühlen, gehemmt durch die gleichen Gedanken, aus Angst, aus Unsicherheit vor dem Urteil anderer und von uns selbst.

„Erst wenn du ganz loslässt, nicht nachdenkst, dich einfach bewegst, dann tanzt du am schönsten!“ wurde mir nicht nur einmal gesagt. Und genau das wünschen wir uns doch alle? Sei frei, tanze, sei schön, so wie du bist!

Erst dann sind wir ganz im Moment, können darin aufgehen!

So geht es auch vielen Yoginis in Gruppen. Sie vergleichen, sie fühlen sich unwohl. Allein aufgrund unserer Anatomie werden wir nie alle jede Asana gleich ausführen können. Ein richtig oder falsch gibt es nicht. Es geht darum, sich selbst, seinen Körper, seinen Geist und auch seine Umwelt gut zu behandeln. Also ja, im Yoga geht es um Perfektion. Aber nicht um jene, die wir täglich auf Instagram, in Werbungen und Co. sehen. Es geht um die Perfektion des eigenen Wohlbefindens, genau so, wie wir sind. Denn so sind wir richtig!

Lerne auch du dich, deine Bedürfnisse, deine inneren Antreiber und Blockaden besser kennen, um das Yoga zu finden, das dich näher zu dir selbst bringt. Eine Praxis, die du als wertvoll und unterstützend erlebst!

Ein kleiner Reminder, festgehalten auf meiner Srilanka-Reise!

Eine Blume macht sich keine Gedanken, ob sie mit den Blumen neben sich mithalten kann, sie konkurriert nicht – sie blüht einfach!

Zurück
Zurück

Yoga + “Sucht”

Weiter
Weiter

Shashankasana